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Fachartikel in Nature-Portfolio-Zeitschrift „Climate Action"

Die Reduktion von Treibhausgasemissionen aus dienstlichen Flugreisen zählt zu den wirksamen Klimaschutzhebeln im Wissenschaftsbetrieb, ist jedoch mit nennenswerten Zielkonflikten verbunden. In der Nature-Portfolio-Zeitschrift npj Climate Action haben Susann Görlinger und Caroline Merrem (beide ifeu- Institut für Energie- und Umweltforschung gGmbH) gemeinsam mit Maximilian Jungmann und Nicole Aeschbach (beide Universität Heidelberg) einen Artikel veröffentlicht, der Ergebnisse und Produkte aus dem Projekt „FlyingLess“ präsentiert.

 

Diese Publikation mit dem Titel „An evidence-based approach to accelerate flight reduction in academia“ basiert auf einer bisher einzigartigen Datenbasis, die unter Einsatz von Interviews und Umfragen an acht wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland gewonnen werden konnte. An allen beteiligten Institutionen machen die Treibhausgasemission aus dienstlichen Flugreisen einen bedeutenden Anteil (zwischen elf und fast 50 %) der Gesamtemissionen aus. Zu den dienstlichen Reisegründen befragt, gaben 87 % der Wissenschaftler:innen an, dass der Besuch von Konferenzen mit eigenem Vortrag für sie sehr wichtig bzw. wichtig ist. Bemerkenswert ist die ungleiche Verteilung der Flugaktivität: Professor:innen und Gruppenleiter:innen fliegen etwa viermal so häufig wie Forschende ohne wissenschaftliche Leitungsfunktion. Etwa 70 % der Wissenschaftler:innen wären laut Umfrage bereit, ihre Flugreisen zu reduzieren, indem sie häufiger virtuelle Formen des Austauschs bzw. andere Verkehrsmittel nutzen. Auch die Gruppe der Studierenden wurde in die Erhebung einbezogen: Etwa dreiviertel der Befragten haben bisher keinen Flug im Kontext ihres Studiums unternommen; ähnlich viele Studierende fordern, dass durch das Studium bedingte Reisen verstärkt auf Zug und Bus verlagert werden sollten und würden es bevorzugen, künftig für einen Arbeitgeber tätig zu werden, der sich für das Thema Flugreisenreduktion einsetzt.

Reisen zu Konferenzen, Projekttreffen und zur Feldarbeit bilden zentrale Elemente der Kultur von Forschung und Lehre. Das Renommée akademischer Institutionen sowie die Karrieren der Forschenden sind eng mit internationaler Vernetzung – und damit häufig mit Flugreisen – verbunden. Dem entgegen stehen die angesichts der Klimakrise notwendigen Maßnahmen zur schnellen und drastischen Reduktion des Treibhausgasausstoßes auf Netto-Null. Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen kommt dabei eine große Verantwortung und Vorbildfunktion zu, gerade wenn es darum geht zu demonstrieren, dass und wie sich der wissenschaftliche Konsens zum menschengemachten Klimawandel in konkretes Handeln im Klimaschutz übersetzen lässt.

Bereitstellung von FlyingLess-Toolbox als praxisorientiertes Werkzeug

Im Rahmen des von der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekts „FlyingLess“ liegt der Schwerpunkt deshalb nicht nur auf der Erfassung des Ist-Zustands, sondern insbesondere auf der Erarbeitung und Bereitstellung von praxisorientierten Werkzeugen, mit deren Hilfe die Institutionen Projekte zur Reduktion von Flugreisen erfolgreich planen, implementieren und dauerhaft verankern können. „Auf Basis der aktuellen Literatur, meiner langjährigen Erfahrung mit dem Thema Flugreisenreduktion an der ETH Zürich und unserer Interviews und Umfragen in ‚FlyingLess‘ haben wir eine umfassende und frei verfügbare Toolbox erarbeitet, die wir ebenfalls in der Publikation vorstellen“, erläutert Susann Görlinger, Erstautorin des Artikels und „FlyingLess“-Projektleiterin am ifeu. Die Toolbox ist modular aufgebaut, so dass die Einrichtungen die Teile auswählen können, die sie am besten in der jeweiligen Phase ihres Vorhabens unterstützen. Das Portfolio der gebotenen Inhalte reicht von wissenschaftlich fundierten Hintergrundinformationen zum Thema bis hin zu konkreten Methodentipps für die Umsetzung. Zentrales Element ist eine Checkliste, die dabei hilft, die bisherige Arbeit einzuordnen und die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen.

Transformation des Wissenschaftsbetriebs als Türöffner

Um das Dilemma zwischen Klimaschutz und Internationalisierung zu mildern, braucht es eine Transformation der internen und externen Rahmenbedingungen im Wissenschaftsbetrieb. Das Engagement von Role Models und Initiativen in den Einrichtungen selbst sowie die Integration von Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen in die Logiken der Forschungsförderung sind dabei von großer Bedeutung. „In unserem Projekt setzen wir auf ein transdisziplinäres Vorgehen, das heißt, wir beziehen die Perspektiven und Expertisen der verschiedenen Statusgruppen aus Forschung, Lehre und Leitungsebene eng in unsere Arbeit ein“, betont die Verbundpartnerin Nicole Aeschbach, Leiterin des TdLab Geographie an der Universität Heidelberg und Wissenschaftlerin an der Heidelberg School of Education. Die im Projekt „FlyingLess“ gewonnenen Ergebnisse und bereitgestellten Tools leisten einen Beitrag, erfolgreiche Forschung mit Klimaschutz zu verbinden und sind auf andere Branchen übertragbar.

Hier geht es zum Originalartikel:

Susann Görlinger, Caroline Merrem, Maximilian Jungmann and Nicole Aeschbach. An evidence-based
approach to accelerate flight reduction in academia. npj Climate Action 2, 41 (2023).
https://doi.org/10.1038/s44168-023-00069-y